Antonia

„Er hat mich verprügelt, als ich hochschwanger war“

Antonia (Name geändert) wusste es vom ersten Moment an: Etwas stimmt nicht mit dem Mann, der ihr schon als Jugendliche Avancen macht. Dass sie sich später trotzdem auf ihn einlässt, bereut sie bis heute bitter. In ihrer Ehe wird sie von ihm misshandelt, kontrolliert und isoliert. Als sie ihn mit den Kindern verlässt, ist es noch lange nicht vorbei. Sie erlebt heftige Nachtrennungsgewalt und institutionelle Gewalt.

Sie war beliebt, hatte Freunde und große Pläne für die Zukunft. Als Antonia mit der Ausbildung in der Tasche nach Wien geht und ihre erste Beziehung hinter sich hat, trifft sie ihren Verehrer aus der Jugendzeit wieder. „Er war sehr bemüht und fürsorglich. Es war richtiges Love Bombing“, erinnert sie sich an die Anfänge. „Das war aber dann sofort vorbei, als ich am Standesamt unterschrieben habe. Als hätte man einen Schalter umgelegt.“ Mit der Hochzeit geht es für die junge Frau immer steiler bergab. „Er hat mich kontrolliert, auch finanziell und mich total von meiner Familie isoliert. Alle waren blöd, der ganze Ort, wo ich herkomme und meine Freunde. Das ist dann ausgeartet. Wenn ich einmal allein eine Freundin getroffen habe, hat er mich hinterher direkt verhört.“ Antonia ist in die Fänge eines Narzissten geraten, wie sie heute weiß. „Ich habe kein eigenes Geld gehabt, nur eine Bankomatkarte für die Pille, Bipa und was man für die Kinder braucht. Ich selbst durfte mir fast nichts kaufen.“

Gewalt in der Schwangerschaft

Die Aggression ihres Ehemanns auf Antonia wird immer größer, obwohl sie inzwischen auch eine Familie gegründet haben. „Er ist das erste Mal gewalttätig geworden, als unsere älteste Tochter drei Monate alt war. Das hat sich dann immer gesteigert. Das Schlimmste war für mich, als ich in der 35. Woche mit dem dritten Kind schwanger war und er mich verprügelt hat. Die ältere Tochter kam auch dazu, riss mich an den Haaren und schlug mit dem Vater gemeinsam auf mich ein“, ringt sie um Fassung. Sie flüchtet mit dem jüngeren Kind aus der gemeinsamen Wohnung und fährt die ganze Nacht mit dem Bus durch Wien, weil sie nicht weiterweiß. Trotzdem geht sie irgendwann wieder nach Hause. „Ich habe kein Selbstwertgefühl mehr gehabt“, sagt sie rückblickend über diese Zeit ihres Lebens. Seine Wutausbrüche hören auch nicht auf, als das dritte Kind auf der Welt ist. Antonia erinnert sich daran, wie der Kindsvater in Rage aus dem Auto steigt und mit seinen Fäusten so lange gegen die Windschutzscheibe schlägt, bis diese bricht. Die kleinen Kinder müssen dabei zusehen.

Nach außen hin merkt niemand, in was für einer Hölle Antonia lebt. „Anderen gegenüber war er humorvoll und charmant. Er hat andere Leute immer besser behandelt als mich.“ Dazu zählen auch mehrere Frauen, mit denen er sie betrogen hat, wie sie später rausfindet. Inzwischen ist auch das dritte Kind da, die Situation daheim ist unerträglich geworden. „Dann habe ich gedacht, unser Sohn ist noch so klein. Der Kindsvater hat mich stundenlang nicht mit dem Baby aus dem Schlafzimmer rausgelassen. Ich musste da weg, wenigstens für das letzte Kind. Ich habe die Scheidung eingereicht und er ist zu Hause durchgeknallt.“

Nachtrennungsgewalt, aber Richter glaubt Vater

Der Kindsvater lässt sich daraufhin freiwillig in die Psychiatrie einweisen. „Er hat so getan, als hätte ich ihn dazu gebracht.“ Das wird die erste von vielen Lügen und Falschdarstellungen sein, die Antonias Ex-Mann im erbitterten Kampf gegen sie in die Welt setzen wird. Nach ihrem mutigen Schritt, ihren Peiniger endlich zu verlassen, erlebt sie durch ihn nun auch Nachtrennungsgewalt. „Es hat fürchterliche Szenen gegeben, er ist immer wieder zur Wohnung gekommen, hat sich unmöglich aufgeführt, hat mir ins Vorzimmer uriniert, mich rumgestoßen, bei der Kindesübergabe mit mir geschrien und mich angespuckt.“

Obwohl Antonia jahrelang unter ihrem gewalttätigen Ehemann gelitten hat und er auch nach der Trennung nicht mit der Gewalt aufhört, will das Gericht, dass sie dem Vater beim Kontaktrecht möglichst entgegenkommt. „Der damalige Richter war sehr männerlastig. Er hat auch eine Verhandlung wegen dem Ehegattenunterhalt anberaumt und mich gezwungen, meine Dienstzeiten aufzustocken, obwohl mein jüngster Sohn erst drei Jahre alt war. Mein Ex musste auch weniger Unterhalt zahlen, er hat bekommen, was er will.“

Tochter erfindet Gewalt der Mutter gegen sie

Das Verhalten ihres Ex-Mannes hat inzwischen auch deutliche Spuren bei den älteren Kindern hinterlassen. Sie werden in der Zeit, die sie bei ihrem Vater verbringen, massiv von ihm instrumentalisiert und manipuliert. Als ihre mittlere Tochter in die Pubertät kommt, eskaliert die Situation. Antonia bekommt einen Anruf von der Kinder- und Jugendhilfe, der fatale Folgen hat. „Es hieß, ich muss mit meiner Tochter dort erscheinen. Dort hörte ich zu meiner Überraschung, dass ich beschuldigt werde, mein Kind gewürgt zu haben. Meine Tochter hat gesagt, das stimmt.“ Mit ihrem kleinen Sohn im Arm und der weinenden Tochter, die sich weigert, die Wahrheit zu sagen, steht Antonia plötzlich selbst wie eine Täterin da – völlig zu Unrecht. „Dann hat die Dame vom Jugendamt meiner Tochter gesagt, ab jetzt wohnst du beim Vater. Mein Kind hat geweint und gesagt, das will sie nicht.“ Doch die Kinder- und Jugendhilfe legt Bilder der Würgemale auf dem Hals ihrer Tochter vor, die eine eindeutige Sprache sprechen. „Erst später hat mir meine Tochter gesagt, dass sie das selbst gemacht hat“.

Als Antonia das Mädchen später zur folgenschweren Lüge befragt, „was hast du dafür bekommen, hält sie ein neues iPhone in die Höhe, das ihr der Vater gekauft hat.“ Die offensichtliche Bestechung der Tochter lässt Antonia sprachlos zurück. „Ich habe nicht gewusst, wie ich mich verhalten soll. Ich habe ihr gesagt, ich habe jetzt Angst, wenn ich mit dir allein bin, dass du dir irgendwelche Verletzungen zufügst und dann behauptest, ich war es.“ Nach einer Woche beim Vater kommt ihre Tochter wieder nach Hause und wirkt belastet. „Sie hat mir gar nicht in die Augen schauen können.“ Ihre Lüge hat das Mädchen erst nach einem Jahr bei der Kinder- und Jugendhilfe richtiggestellt.

Wegweisung und Suizid-Versuch von Tochter

Doch das Mädchen kann sich der Einflussnahme ihres Vaters weiterhin nicht entziehen. Es kommt zu einem heftigen Vorfall, bei dem Antonia wieder Opfer von Gewalt wird. Der Kindsvater taucht bei ihr auf und verlangt nach einer wertvollen Skulptur, von der er behauptet, sie gehöre ihm. Als Antonia sich weigert, sie herzugeben, kommt die Jugendliche ihrem Vater zur Hilfe. „Meine Tochter hat auf mich hingehauen, hat probiert mit der Gabel den Kasten zu beschädigen und das Stück rauszuholen. Ich wurde verletzt: ich hatte geprellte Rippen und blaue Flecken.“ Der Kindsvater hat dabei nur zugeschaut, bis Antonias Schreie nicht mehr zu überhören sind. Nachbarn melden den Übergriff bei der Polizei. „Meine Tochter hat damals mit 13 Jahren eine Wegweisung bekommen.“

Die Jugendliche lebt nach ihrer Attacke auf die Mutter sechs Wochen lang bei ihrem Vater. Als der ihr erzählt, wie unglücklich er sei und, dass er Antonia eigentlich nur zurückwill, ist das Kind sehr mitgenommen. Sie schluckt heimlich Psychopharmaka ihres Vaters und schläft am nächsten Tag ungewöhnlich lange. Der Vater ruft jedoch erst am frühen Abend die Rettung. Nach ihrem Suizidversuch wird Antonias mittlere Tochter für mehrere Wochen in die Kinderpsychiatrie eingewiesen. Der Kindsvater, der diese Situation herbeigeführt hat, sieht jedoch keine Schuld bei sich. Im Gegenteil, er nutzt den Selbstmordversuch seines Kindes dafür, Antonia schlechtzumachen. „Er hat das Opfer gespielt und behauptet, ich bin schuld, weil ich keinen Kontakt mit meiner Tochter hatte.“ Antonias Ex schafft es auch, das Gericht von seiner Version zu überzeugen: „Die sagten, ich wäre schuld gewesen, dass sie die Wegweisung bekommen hat und, dass sie das gemacht hat.“ All die Gewalt, die Antonia erfahren hat, zählt für die Institutionen nicht. „Als wäre es nicht relevant.“

Inzwischen sind ihre großen Kinder nicht mehr minderjährig, die Beziehung zu ihrer mittleren Tochter hält sie trotz aller Vorfälle aufrecht. Für Antonia geht es jetzt in erster Linie darum, ihren jüngsten Sohn vor dem gefährlichen Einfluss des Vaters zu schützen. Über das Kontaktrecht wird immer noch vor Gericht prozessiert. Müttern in ihrer Situation rät die Kämpferin: „Vorsichtig sein beim Heiraten und sich gut die Familie anschauen. Und sich die Selbstständigkeit bewahren, immer ein eigenes Konto haben. Und nicht wegen der Kinder beim Vater bleiben.“

Wenn Du von institutioneller Gewalt betroffen bist und helfen willst, dass die Öffentlichkeit davon erfährt, kannst Du den Vorfall anonym über ein Formular auf unserer Webseite melden. FEM.A fungiert als Meldestelle für institutionelle Gewalt. Wir sammeln die Daten, anonymisieren sie und werten sie aus, um das wahre Ausmaß institutioneller Gewalt in Österreich sichtbar zu machen. Hilf mit, gemeinsam Bewusstsein zu schaffen!