Die Istanbulkonvention

Mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention hat sich Österreich verpflichtet, sicherzustellen, dass alle Gewalttaten (also neben körperlicher und sexuallisierter auch psychische Gewalt) bei Entscheidungen über das Kontaktrecht und die Obsorge berücksichtigt werden.

Weiters hat sich Österreich verpflichtet, sicherzustellen, dass die Ausübung der Obsorge und des Kontaktrechts nicht die Rechte und die Sicherheit des Opfers oder der Kinder gefährdet.

Entsprechend der Erläuterungen der Istanbul Konvention (vgl 175) soll mit dieser Bestimmung dafür Sorge getragen werden, dass Gerichte keine Pflegschaftsentscheidungen erlassen, ohne dabei Gewalt zu berücksichtigen.

Diese Verpflichtung wurde bereits innerstaatlich umgesetzt. Durch das KindNamRÄG 2013 wurde § 138 ABGB eingeführt, der erstmals die Kriterien für das Kindeswohl definiert.

138 Z 7 ABGB: Kindeswohl ist die Vermeidung der Gefahr für das Kind, Übergriffe oder Gewalt selbst zu erleiden oder an wichtigen Bezugspersonen mitzuerleben. 

Auch sieht § 107 Abs 3 die Möglichkeit für Richter*innen vor, dem gewalttätigen Elternteil ein Antigewalttraining aufzuerlegen.

Dennoch hat eine Evaluierungsstudie des Österreichischen Instituts für Familienforschung zum KindNamRÄG 2013 ergeben, dass eine Schulung oder Beratung zum Umgang mit Gewalt und Aggression von den befragten Richter/innen nach eigenen Angaben in nur sehr geringem Maße angeordnet wurde. Die Befragten haben dies damit argumentiert, dass eine diesbezügliche Anordnung im Sinne des Kindeswohls bislang noch kaum notwendig gewesen ist, da Gewaltandrohungen bzw. -handlungen in der Regel in Bezug auf die Expartnerin vorkommen, dass mit einer solchen Maßnahme auf die Sicherung des Kindeswohls abstellt und daher nicht das Mittel der Wahl wäre.

Hingegen waren die im Zuge der Studie befragten Expert*innen in hohem Maße davon überzeugt, dass dieses Instrument sehr wohl geeignet ist.

Gewalt in jeder Form muss als Kindeswohlgefährdung anerkannt werden. Auch das Miterleben von Gewalt an der Mutter durch das Kind ist eine Form von Gewalt, die bei Pflegschaftsentscheidungen mitberücksichtigt werden muss.