Gabriela

„Er hat sich gefreut, mir Angst zu machen“

Gabriela (Name geändert) hat die Suche nach dem Richtigen schon fast aufgegeben, als sie beim Online-Dating einen Amerikaner kennenlernt. Er fliegt über den Ozean, um sie zu treffen und macht gleich großen Eindruck auf die Selbstständige. Sie wagt nur wenige Monate später das Abenteuer und zieht zu ihm in die USA. Gabriela ist schwanger, als sie feststellt, dass sie auf einen Betrüger und Sadisten reingefallen ist.

Die ersten Monate mit ihrem neuen Freund sind voller Emotionen, alles fühlt sich richtig an. Gabriela und ihr Traummann aus Amerika planen schon nach wenigen Wochen ihr Leben miteinander. Sie wünschen sich beide eine Familie und bald darauf erwartet sie schon ein Baby. Ihre Freude ist groß, doch es ist keine einfache Schwangerschaft, sie fühlt sich körperlich und psychisch belastet. Ihr Freund ist inzwischen wieder in den USA und will, dass sie möglichst schnell zu ihm zu zieht. „Ich kümmere mich um dich“, verspricht er Gabriela. Das Leben, das er ihr in schillernden Farben ausmalt, klingt zu schön, um wahr zu sein. Er besitzt ein großes Haus, das er mit ihr renovieren will, um darin gemeinsam mit dem Kind zu leben. Er gibt sich wohlhabend und großzügig. Gabriela ist sehr verliebt und wagt den Schritt. Sie gibt ihre Wohnung, ihren Job und sogar ihre Katzen für den neuen Mann auf.

Amerikanischer Albtraum

Doch was sie in Amerika erwartet, ist alles andere als ein Hollywood-Märchen. „Ich habe relativ schnell gemerkt, dass mit ihm etwas nicht stimmt“, bereut sie, ihr altes Leben aufgegeben zu haben. Von den großen Gefühlen seinerseits ist bald nichts mehr übrig, auch der versprochene Luxus entpuppt sich als Lüge. „Wir haben in verschiedenen Airbnbs gewohnt, er hatte nicht mal eine feste Bleibe.“ Gabrielas Schwangerschaft wird noch beschwerlicher, sie darf sich nicht viel bewegen und nimmt über 30 Kilo zu. „Er hat mir dann vorgeworfen, ich hätte ihn in die Falle gelockt. Er könne wegen mir nicht mehr ausgehen und keinen Spaß mehr haben. Das war so gemein. Ich habe alles für ihn aufgegeben.“ Gabriela hat sich in eine „totale Abhängigkeit“ begeben. Auch die Geburt wird kompliziert, sie liegt tagelang in den Wehen und bekommt ihr Baby per Notkaiserschnitt. Auf Unterstützung von dem Mann, den sie inzwischen geheiratet hat, wartet sie vergebens. Ihrer Familie und ihren Freunden daheim traut sich Gabriela nicht zu erzählen, wie schlecht es ihr geht. „Ich habe mich geschämt, dass ich so reingefallen bin. Ich wusste, die würden mir sagen, da stimmt was nicht, geh da weg.“ Doch das kann sie noch nicht. Die Mutter reduziert den Kontakt mit daheim auf ein Minimum. „Ich war völlig isoliert“, blickt sie auf diese düstere Zeit zurück.

Verzweifelte Mutter erleidet Psychose

Gabriela kommt bald auch dahinter, dass der Kindsvater „ein Betrüger ist“. Er nimmt IT-Projekte an, kassiert dafür große Summen, setzt die versprochenen Leistungen jedoch nicht um. „Er hatte zudem große Panik, dass er auffliegen könnte. Früher ist er auf Partys gegangen, um sich abzulenken. Aber jetzt war er auf einmal zu Hause und hat seinen ganzen Frust an mir abgelassen.“ Gabriela ist völlig überfordert von der Situation. Auch das Haus, in das sie nun endlich eingezogen sind, entpuppt sich als Katastrophe: „Es war eine totale Baustelle, Kabel hingen überall raus und in der Küche waren Ratten. Es waren nur drei Räume bewohnbar, die habe ich für das Kind eingerichtet, weil es schon gekrabbelt ist.“ Die Beziehung zwischen den Eltern ist nun auf dem Nullpunkt: „Mein Ex war eifersüchtig, dass ich so viel Zeit mit unserem Kind verbringe.“ Er macht ihr ständig Vorwürfe, hilft ihr nicht mit dem Baby, ist völlig kalt und lieblos. Gabriela wird immer einsamer, verzweifelter und schläft zu wenig, weil ihr Mädchen sie in der Nacht wachhält.

„Ich bin richtig krank geworden, ich hatte eine Psychose“, beschreibt sie die schlimme Folge. Die Mutter wird von ihrem amerikanischen Albtraum-Mann mit ihrem Zustand völlig allein gelassen. Er macht es sogar noch schlimmer: „Er ist ein Sadist und hat sich gefreut, mir Angst zu machen.“ Ihr Ehemann sperrt Gabriela sogar einmal im Keller ein, nachdem sie ihm gesteht, dass sie Stimmen von dort hören kann. Sie braucht ärztliche Hilfe, die er ihr verwehrt. Die Mutter schafft es trotz ihres Ausnahmezustands, sich aus der hochtoxischen Beziehung zu lösen, was sie heute stolz macht. Als der Vater vorschlägt, mit dem Kleinkind auf ein baufälliges Boot zu ziehen und das Haus zu vermieten, weil er Geld braucht, „war für mich Schluss. Ich habe gesagt, ich gehe zurück. Er war erleichtert.“

Mutter und Tochter erleben Nachtrennungsgewalt

Gabriela atmet ebenfalls auf, als sie wieder nach Hause zurückkehrt. Sie baut sich ein neues Leben als Alleinerzieherin auf. Der Kindsvater meldet sich erst nach Monaten, um sich nach der Tochter zu erkundigen: „Er hat aus dem Nichts heraus gefragt, wann er vorbeikommen kann und unser Kind für ein paar Monate mit in die USA nehmen kann. Da habe ich gesagt, gar nicht.“ Gabriela schlägt vor, erstmal langsam wieder Kontakt aufzubauen. Doch ihr Ex droht, dass er sich einen Anwalt nehmen will, weil das Kindesentführung sei. Aus Angst vor den Institutionen macht die Mutter regelmäßigen Telefon- und Video-Kontakt möglich, bis ihr Ex tatsächlich aus Amerika in die Stadt zieht, in der sie mit dem Kind lebt. Er ist inzwischen schon mit einer anderen Frau zusammen. Der Kindsvater, mit der der Kontakt nun gerichtlich großzügig in seine Richtung geregelt ist, hält sich nicht an Abmachungen. Er verschwindet immer wieder für Tage und Wochen, ohne Bescheid zu geben. „Unserem Kind ging es richtig schlecht.“ Wenn ihr Ex mal da ist, agiert er wenig väterlich. „Unsere Tochter hat geschrien und hatte Angst vor ihm, weil er oft unheimliche Witze gemacht hat. Er hat auch nicht aufgehört, als sie geweint hat, sondern war sogar beleidigt, wenn sie das nicht mochte.“ Als der Kindsvater wieder einmal länger verreist, will er bestimmen, dass seine neue Frau den Kontakt zur Tochter in seiner Abwesenheit wahrnimmt, obwohl sich beide kaum kennen. Gabriela lehnt das ab.

Institutionelle Gewalt statt Hilfe

Das Ex-Paar macht eine Mediation, die jedoch nichts bringt. Gabriela wendet sich an die Kinder- und Jugendhilfe. „Ich habe gesagt, der Vater ist ein Psychopath, man muss den Umgang aussetzen, der ist gefährlich.“ Sie selbst hat auch große Angst vor ihrem Ex, weil er sie bedroht: „Wenn du mir verbietest, das Kind zu sehen, dann drehe ich durch und zerstöre dich.“ Gabriela fordert nun begleitete Besuche, auch, weil der Kindsvater seiner Aufsichtspflicht oft nicht nachkommt. Erst finden die Besuche begleitet statt, doch dann fährt der Vater wieder zurück in die USA. Die Treffen werden nicht oder nur mehr virtuell abgehalten. Für das Mädchen werden die Video-Calls zur Qual. „Sie hat geweint, gebettelt, die ganze Zeit musste sie aufs Klo, was trinken, was essen. Ich habe immer gefragt, können wir nicht abbrechen? Das Kind will die Video-Calls nicht mehr. Die haben ihr dann immer die Schuld gegeben.“ Der Sozialarbeiter wird einmal sogar richtig ungehalten, weil die damals Fünfjährige von der Situation überfordert ist. „Er hat sie genommen, in den Raum reingeschoben, sie angepöbelt und gemeint, du musst deinem Vater selbst sagen, dass du nicht mit ihm reden willst.“ Als ihr Ex-Partner Gabriela auch noch auf YouTube in mehreren Videos mit Klarnamen beschimpft und sie als Kindesentführerin darstellt, reicht es ihr endgültig. Sie meldet das bei der Kinder- und Jugendhilfe, die sich mit dem Thema jedoch nicht auseinandersetzen will. „Dann habe ich auf Eigenverantwortung den begleiteten Umgang abgebrochen.“ Es kommt zu einem Gerichtsverfahren, bei dem der Kontakt neu ausverhandelt wird. Auch ein Gutachten wird erstellt, das nicht auf die Gewalt eingeht, die Gabriela und ihre Tochter durch den Vater erfahren haben. „Es stand aber drinnen, dass ich meinen Anteil an der Situation nicht sehen und die Verantwortung nicht übernehmen würde“, ist sie empört. Das Gericht bestimmt, dass der Vater alle zwei Monate aus Amerika kommen kann und das Kind dann acht Tage durchgehend bei ihm schlafen soll. Das klappt gar nicht gut, das Mädchen ist nach dem Aufenthalt beim Kindsvater verändert, „sie regressiert“. Dagegen wird Gabriela nun wieder vor Gericht gehen. Einen Sieg hat sie jedoch bereits in einem anderen Verfahren errungen: Sie hat die alleinige Obsorge für ihr Kind. Anderen Frauen in ihrer Situation rät Gabriela: „Bevor sie mit Institutionen in Kontakt kommen, müssen sich Frauen ganz dringend aufklären, was da alles passieren kann und worauf man achten muss. Weil da ist so eine Willkür dahinter.“

Wenn Du von institutioneller Gewalt betroffen bist und helfen willst, dass die Öffentlichkeit davon erfährt, kannst Du den Vorfall anonym über ein Formular auf unserer Webseite melden. FEM.A fungiert als Meldestelle für institutionelle Gewalt. Wir sammeln die Daten, anonymisieren sie und werten sie aus, um das wahre Ausmaß institutioneller Gewalt in Österreich sichtbar zu machen. Hilf mit, gemeinsam Bewusstsein zu schaffen!