Lenka

„Gutachten haben die Psyche meines Sohnes ruiniert“

„Mein Kind hat ein Trauma erlebt“

„Vor Gericht hat mir keiner geglaubt“

FEMA: Wie haben Sie den Vater Ihres Kindes kennengelernt?

Lenka: Wir haben uns beruflich in Warschau kennengelernt. Er war ein charmanter, netter, ruhiger Typ. Ich dachte, vielleicht ist das eh nicht schlecht, ich bin eher extrovertiert, emotional und eine warme Persönlichkeit.

FEMA: Wann hat sich die Beziehung verändert?

Lenka: Am Anfang haben wir nur Englisch miteinander gesprochen, ich konnte noch kein Deutsch. Wenn etwas nicht gut gelaufen ist, hat er mich immer dafür verantwortlich gemacht und gesagt, ich hätte etwas falsch verstanden. Er ist ein Meister darin, Dinge zu verdrehen. Ich habe meinen guten Job in Polen aufgegeben und bin nach Österreich gezogen. Ich wollte eine Familie gründen und dachte, ich kann das schaffen. Der Start war aber hart, weil weder seine Familie noch seine Freunde mich akzeptiert haben. Ich habe schnell gelernt, was das Wort ‚Ausländer‘ bedeutet. Das Umfeld meines Ex-Mannes war sehr fremdenfeindlich. Ich dachte, wenn ich mich bemühe, dann werde ich diese Stereotypen überwinden können. Das war aber leider nicht möglich.

FEMA: Wann ist es gekippt?

Lenka: Nach einem Jahr Beziehung haben wir geheiratet und waren fast nur allein. Ich hatte den großen Wunsch, ein Kind zu bekommen, das hat er mir beim Heiratsantrag auch versprochen. Darauf habe ich aber dann fünf Jahre gewartet. Ich glaube, er wollte eigentlich kein Kind. Er hat sich dann auch nie darum gekümmert. Windelwechseln war ihm zu viel, er musste in Ruhe schlafen. Ich war allein mit dem Baby. Gleichzeitig habe ich gearbeitet und den Haushalt geführt. Er hat gesagt, Frauen können das von Natur aus. Ich sollte Verständnis haben, dass er das nicht schafft.

FEMA: Wann wussten Sie, dass eine Trennung unausweichlich ist?

Lenka: Als unser Kind etwa zwei Jahre alt war, hat er sich von uns entfernt. Er wollte nicht mehr Familienvater sein. Er hat nie mit dem Kind gespielt oder sich beschäftigt, weil er Kopfschmerzen hatte oder zu müde war. Er meinte, er hätte Depressionen und braucht Ruhe. Dann habe ich meinen sehr gut bezahlten Job verloren, weil die Niederlassung geschlossen wurde. Er hat mich gar nicht dabei unterstützt, ich habe ihn nicht mehr interessiert. Er hatte heimlich eine Beziehung mit einer anderen Frau angefangen und ich habe die Scheidung eingereicht. Und dann habe ich per Zufall rausgefunden, dass mein Ex-Mann ein wirkliches Doppelleben führt. Er bietet sich im Internet Frauen und Männern für Blind-Dates an – mit Penisbildern, die er in unserem Schlafzimmer aufgenommen hat. Ich habe auch Hotelrechnungen gefunden. Ich hatte Angst, dass er sich beim Verkehr mit anderen Krankheiten geholt hatte. Das war alles sehr schockierend für mich, ich habe nur geheult. Ich habe versucht, zu verstehen, wie es mir nicht auffallen konnte, dass er bisexuell ist.

FEMA: Das muss sehr schwer für Sie gewesen sein.

Lenka: Ich hatte ein richtiges Trauma. Schon während der Zeit, in der wir uns bewusst bemüht haben, ein Kind zu bekommen, ist er mit Männern und Frauen fremdgegangen. Er hat mich damit auch in der Schwangerschaft einem gesundheitlichen Risiko ausgesetzt. Als er mit den Beweisen seines Verhaltens vor Gericht konfrontiert wurde, begann erst der richtige Terror. Er hat mich mit dem Auto verfolgt. Er ist mitten in der Nacht heimgekommen – das Haus gehörte uns beiden – und hat er alle Türen zugeschmissen. Er hatte alle WCs zugesperrt, später alle Klotüren ausgehängt und uns gefilmt, während wir drinnen waren. Er

hat in seinem Zimmer mit einer Pistole gespielt, sodass ich das hören konnte. Er hat Psycho-Terror ausgeübt. Ich hatte Angst. Einmal hat er das Kind beim Essen gepackt und einfach mitgenommen. Es hat geweint und geschrien, ich auch. Ein paar Stunden später bin ich zur Polizei gegangen, die haben gesagt, sie können nichts machen, wir hätten ja das gemeinsame Sorgerecht.

FEMA: Wollte er das alleinige Sorgerecht haben?

Lenka: Nein, er wollte mich schikanieren. Der ganze Terror war strategisch geplant, weil ich noch meine Wohnung in Polen hatte. Sein Ziel war, dass ich das psychisch nicht mehr aushalte, die Koffer packe und mit dem Kind nach Polen gehe, wo ich eine Wohnung habe. Natürlich ist mir dieser Gedanke gekommen, aber ich habe mich zum Glück vorher beraten lassen. Man hätte mir das sonst als Kindesentführung auslegen können, obwohl ich einen Zweitwohnsitz in Polen habe und nur vorläufig hingefahren wäre, weil daheim ein richtiger Krieg getobt hat und das dem Kind unzumutbar war. Vor Gericht hat mir keiner geglaubt, nur das Gewaltschutzzentrum und die Polizei, aber die konnten nichts machen, außer zwei Wegweisungen auszusprechen. Mein Ex ist Magister, gebürtiger Österreicher und jedes Wort, das er sagt, hat viel mehr Wirkung als meins. Wir sind dann ins Frauenhaus gegangen. Es war die einzige Möglichkeit, wo wir wirklich Schutz bekommen haben, weil ich nicht zu meiner Familie ins Ausland fahren durfte. Nach dem ganzen Terror war ich so froh, endlich schlafen zu können und keine mehr zu Angst haben, dass mich jemand umbringen will.

FEMA: Wie haben Sie institutionelle Gewalt erlebt?

Lenka: Ich wurde attackiert und es wurde behauptet, dass ich eine Bindungsintoleranz habe. Auf dieser Basis haben alle dem Vater geholfen. Hätte ich mich so verhalten wie er, wäre ich sofort als erziehungsfähig eingestuft worden und man hätte mir das Kind weggenommen. Mein Kind leidet noch immer und bekommt keine Hilfe, weil ihm keiner glaubt, genauso wenig wie mir. Das System schützt nur den Vater. Es gab aufgrund der Aussagen des Kindes schon sieben oder acht Gefährdungsmeldungen von verschiedenen Institutionen und Personen gegen den Vater. Das Problem ist, es landet immer beim Jugendamt und die entscheiden, ob eine Gefährdungsmeldung richtig ist. Sozialarbeiter handeln oft parteiisch und nicht im Sinne vom Kind. Ich habe Beschwerde beim Volksanwalt eingereicht, der hat bestätigt, dass das Jugendamt parteiisch war, besonders zwei Sozialarbeiter, die nur im Sinne des Vaters gehandelt haben. Und das, obwohl das Kind klar gesagt hat, es wurde von seinem Vater geschlagen, angeschrien und bedroht.

FEMA: Wie konnten Sie trotzdem die Obsorge verlieren?

Lenka: Die Begründung für den Entzug der Obsorge war, dass die Kommunikation zwischen uns Eltern nicht funktioniert. Natürlich funktioniert es nicht, wenn eine Seite ständig Kommunikations-Probleme provoziert. Ich habe Psychologen und Anwältinnen engagiert, damit sie mir helfen, weil Deutsch nicht meine Muttersprache ist. Es war für mich sehr belastend, die manipulativen E-Mails von meinem Ex richtig zu beantworten. Das Gericht liest die ganze Dokumentation aber eh nicht, der Akt ist zu dick. Wenn Gewalt passiert, übernimmt dann niemand die Verantwortung. Gericht und Jugendamt wollen ihre Ruhe haben, falls eine neue Gefährdungsmeldung kommt. Ohne Obsorge muss ich nicht mehr darüber informiert werden. Ich kann auch nicht mit dem Kind zum Psychologen gehen, mir sind die Hände gebunden, ich kann ihm nicht mehr helfen kann.

FEMA: Welche Veränderungen würden Sie sich wünschen, damit es nicht mehr zu institutioneller Gewalt kommt?

Lenka: Transparenz. Wenn Gespräche mit den Eltern stattfinden, dann immer zu dritt, sonst besteht immer das Risiko von Manipulation. Mittlerweile weiß ich, dass mein Ex-Mann viele Briefe an Jugendamt, Sozialarbeiter, Kinderbeistand und Familiengerichtshilfe schreibt. Narzisstischen Persönlichkeiten wie er nutzen diese Möglichkeit aus. Ich habe nichts Falsches getan, aber ich weiß nicht, mit welchen Informationen mein Ex die Institutionen versorgt. Ich finde, ein Sozialarbeiter, der beim Jugendamt arbeitet, sollte für seine Handlungen und Empfehlungen zur Verantwortung gezogen werden können. Warum darf ein Sozialarbeiter weiter mit meinem Kind arbeiten, wenn er ihm gedroht hat, dass es in einem Krisenzentrum landen wird, wenn es sagt, dass der Papa ihn geschlagen hat? Warum bekommt dieser Sozialarbeiter keine Strafe? Ich finde auch, ein Gutachter sollte Verantwortung übernehmen. Empfehlungen und Gutachten haben die Psyche meines Sohnes ruiniert. Das sind psychische Schäden, die bleiben ein Leben lang. Mein Kind hat nachweislich ein Trauma erlebt, das haben wir von einer Kinderärztin und Kinderpsychiaterin bestätigt.

FEMA: Was müssen Mütter, die in einer ähnlichen Situation sind, beachten?

Lenka: Ich habe schnell gelernt, dass ich stark sein muss, egal was passiert ist. Mein Kind braucht mich, auch wenn es am Anfang wirklich sehr heftig war und ich nur geweint und gezittert habe. Man muss aufstehen und für die Kinder stark bleiben. Ich bin mit meinem Kind viel in der Natur, damit wir uns von den Problemen ablenken und etwas finden, was uns stärkt. Das war bei uns das Klettern im Kletterwald. Dabei sieht mein Kind, dass es mutig und stark ist.

Wenn Du von institutioneller Gewalt betroffen bist und helfen willst, dass die Öffentlichkeit davon erfährt, kannst Du den Vorfall anonym über ein Formular auf unserer Webseite melden. FEM.A fungiert als Meldestelle für institutionelle Gewalt. Wir sammeln die Daten, anonymisieren sie und werten sie aus, um das wahre Ausmaß institutioneller Gewalt in Österreich sichtbar zu machen. Hilf mit, gemeinsam Bewusstsein zu schaffen!