Lisa

„Wegen seinem Freund durfte ich mit den Kindern nicht mehr ins Haus“

Lisa (Name geändert) lernt den Vater ihrer beiden Kinder schon in der Schule kennen. Sie haben dieselben Lebensziele: ein Haus, eine Familie und sichere Jobs. Obwohl sie ein gutes Team sind, geht den jungen Eltern die Leidenschaft völlig verloren. Lisa trennt sich, doch weil beide sich weiterhin verstehen, teilen sie sich nach der Scheidung das Haus, in dem sich die Eltern abwechselnd und gemeinsam aufhalten. Als ihr Ex-Mann eine neue Partnerschaft beginnt, verändert sich sein Verhalten jedoch grundlegend.

Es hat schleichend begonnen. Erst kam ihr Sohn zur Welt, zwei Jahre später ihre Tochter. Dazwischen verliert ihr Mann das Interesse an ihr als Frau. Lisa ist damals noch nicht mal 30 Jahre alt und sehnt sich nach körperlicher Nähe. „Ich habe als Mutter funktioniert“, aber sie fühlt sich nicht mehr begehrt. Da es nur mehr Freundschaft zwischen ihr und ihrem Mann ist, beschließt die Mutter, sich zu trennen. Sie beginnt wieder halbtags zu arbeiten, doch ihre Firma ist inzwischen übersiedelt, sie muss nun viel weiter fahren. „Da hat mein Ex-Mann gesagt, er unterstützt mich, es ist kein Problem und wir machen das.“

Ex-Paar teilt sich weiter Haus

Das ehemalige Ehepaar trifft eine ungewöhnliche Entscheidung: Es will mit den Kindern auch nach der Trennung weiter gemeinsam unter einem Dach leben. Das funktioniert erstaunlich gut, sogar als Lisa einen neuen Freund hat. Sie übernachtet immer wieder bei ihrem Partner, auch die Kinder sind später am Wochenende mit ihrer Mama dort. Ihr neuer Lebensgefährte und ihr Ex-Mann verstehen sich auch, alle drei renovieren sogar gemeinsam das Haus.

In der Scheidungsvereinbarung wird ihre Regelung jedoch nicht so festgehalten, wie sie im Alltag gelebt wird. Das wird Lisa später zum Verhängnis. „Ich wollte die Hälfte des Hauses behalten, weil es mir wichtig ist, dass es mal den Kindern gehört. Die Anwältin meines Ex-Mannes sagte nein.“ Also macht sie sich mit dem Kindsvater mündlich aus, dass sie trotzdem weiterhin dort wohnen kann, wenn auch nicht die ganze Woche. Schriftlich festgelegt ist, „dass die Kinder den Aufenthalt hauptsächlich bei ihrem Vater haben, drei Tage die Woche schlafen sie bei mir.“ Damit ändert sich auch Lisas finanzielle Situation: „Obwohl ich den Hauptwohnsitz bei meinem Ex-Mann hatte, auch untertags immer bei ihm war und alles im Haushalt gemacht habe, musste ich plötzlich Unterhalt zahlen. Dabei hat er immer besser verdient als ich.“

Ex-Mann verliebt sich in einen anderen Mann

Ihr Zusammenleben klappt so lange, bis Lisas Ex-Mann ihr erzählt, dass er sich neu verliebt hat – aber nicht in eine andere Frau. „Er hat mir offenbart, dass er einen Lebensgefährten hat. Das kam überraschend. Aber jetzt weiß ich, warum das in unserer Beziehung nicht mehr funktioniert hat.“ Die zweifache Mama hat kein Problem mit seinem Outing, im Gegenteil: „Ich habe ihm gesagt, ich freu mich für dich, dass du jemanden hast.“ Sie ist jedoch auch Realistin und ergänzt ihm gegenüber: „Aber jetzt wird sich viel ändern und es wird schwieriger werden“. Ihr Ex beteuert, dass alles gleichbleiben wird.

„Nachdem er offenbart hat, dass er einen Freund hat, hat er verlangt, dass ich am Samstag nicht mehr mit den Kindern nach Hause komme.“ Das lehnt Lisa erstmal ab. „Es ist das Zuhause der Kinder, sie haben hier ihre Zimmer und ihre Spielsachen. Die Wohnung von meinem Lebensgefährten ist nicht dafür ausgelegt“, erklärt sie. „Er hat aber gesagt, er kann nur er selbst sein, wenn er mit seinem Lebensgefährten im Haus ist.“ Lisa wünscht sich, dass die Kinder seinen neuen Partner erstmal als guten Freund kennenlernen, um sie langsam auf die veränderte Situation vorzubereiten. Ihr Ex-Mann will sich aber nicht mehr verstecken.

Mutter kämpft um Obsorge und Unterhalt

Eine Mediation hilft den Eltern nicht weiter, für Lisa ist die Situation untragbar geworden. Sie will eine klare Struktur für ihre Familie. „Ich habe einen Antrag auf Kontakt- und Obsorge-Regelung gestellt, weil es nicht mehr anders handelbar war.“ Erstmals landet das Ex-Paar vor Gericht. Der Vater „hat behauptet, dass er die Kinder komplett allein betreut hat und er die Hauptbezugsperson war“, ärgert sie sich über die Lüge. Die Kinder- und Jugendhilfe zeigt wenig Verständnis dafür, wie Lisa und der Kindsvater bisher gelebt haben. Es zählt einzig, was Lisa und ihr Ex schriftlich vereinbart hatten. Der Richter bestimmt „eine Doppelresidenz, weil wir haben es ja laut Papier schon so gehabt, aber das stimmt ja nicht.“ Lisas Ex-Mann reduziert den Kontakt nach dem Prozess auf ein Minimum, eine gemeinsame Obsorge wird dadurch fast unmöglich. „Ich würde gerne mit ihm reden, aber er blockt ab. Wenn ein Elternteil so strikt nicht mit dem anderen kommunizieren möchte, dann geht eine gemeinsame Obsorge und so ein ausgedehntes Kontaktrecht einfach nicht.“

Lisa und der Kindsvater werden „zur Elternberatung gezwungen“, die jedoch auch nichts bringt. Die Kinder wollen indes mehr Zeit mit ihrer Mama verbringen, weil sie es gewohnt waren. Erst ein Gutachten zu Lisas Gunsten beendet die Doppelresidenz. Die Kinder sind jetzt Donnerstag bis Montag bei ihrem Vater, sowie Dienstag auf Mittwoch und die Hälfte der Ferien, das heißt, ein sehr ausgedehntes Kontaktrecht. Lisa, die jetzt eine eigene Wohnung hat, wünscht sich, „dass meine Kinder selbst entscheiden dürfen, wann sie wo sind.“ Sie kämpft auch um eine Unterhalts-Regelung, die ihrem geringeren Einkommen entspricht. Ihr Ex-Mann ist inzwischen gar nicht mehr verständnisvoll, sondern fährt schwere Geschütze auf. „Er hat mehrmals in die Gerichtsunterlagen geschrieben, dass ich eine bipolare Störung habe. Das stimmt nicht.“

Von der Kinder- und Jugendhilfe fühlt sie sich besonders im Stich gelassen. Sie vermisst nicht nur Frauen-Solidarität bei den Beamtinnen, es fehlt oft auch an Empathie. Als ihr Sohn einmal länger krank ist, will er lieber bei ihr sein, nicht bei seinem Vater. „Ich habe Hilfe beim Jugendamt gesucht. Dort hieß es, der Sohn muss zum Vater gehen. Sagen Sie ihm, Sie können ihm nicht helfen“, schildert Lisa die institutionelle Gewalt. Die Kinderrechte werden oft nicht beachtet, muss sie traurig feststellen. „Kinder wissen viel, kriegen viel mit, aber entscheiden dürfen sie nichts.“ Letztlich will Lisa „nicht streiten, ich will nur meinen Kindern zeigen, dass ich für uns kämpfe.“

Wenn Du von institutioneller Gewalt betroffen bist und helfen willst, dass die Öffentlichkeit davon erfährt, kannst Du den Vorfall anonym über ein Formular auf unserer Webseite melden. FEM.A fungiert als Meldestelle für institutionelle Gewalt. Wir sammeln die Daten, anonymisieren sie und werten sie aus, um das wahre Ausmaß institutioneller Gewalt in Österreich sichtbar zu machen. Hilf mit, gemeinsam Bewusstsein zu schaffen!