Romana

„Er hat die Kinder im Zimmer eingesperrt“

Er ist ihre erste große Liebe. Im Rausch der Gefühle ahnt Romana (Name geändert) noch nicht, dass der spätere Vater ihrer drei Kinder ihr ganzes Leben kontrollieren wird. Selbst als sie sich aus den Fängen des Narzissten befreit, lässt er sie nicht los. Sie muss jahrelang vor Gericht gegen ihn kämpfen und erfährt dabei auch institutionelle Gewalt auf vielen Ebenen.

„Es ging alles viel zu schnell“, blickt Romana auf den Beginn ihrer ersten richtigen Beziehung zurück. Die Liebe schlägt ein wie ein Blitz und schon bald zieht sie auf den Wunsch ihres neuen Freundes mit ihm im benachbarten Bundesland zusammen. „Er konnte sich aber nicht wirklich auf ein fixes Zusammenleben einlassen. Er hat seine Wohnung lang behalten, sogar bis die Kinder da waren, als Rückzugs- und Fluchtort.“ Sein Messen mit zweierlei Maß wird in der Beziehung immer deutlicher spürbar. Während ihr Partner lebt, wie es ihm gefällt, muss sich Romana seinen Wünschen immer mehr unterordnen. Er beginnt auch, sie abzuwerten: „Es kamen Aussagen wie ‚du kannst ja gehen, aber du findest eh niemanden‘. Man konnte Probleme nicht ausdiskutieren, ich war immer schuld war an allem.“

Mutter erlebt psychische und finanzielle Gewalt

Als die Kinder in kurzen Abständen auf die Welt kommen und sich das Paar gemeinsam ein Haus kauft, wird es für Romana immer unerträglicher. Sie erlebt psychische und finanzielle Gewalt durch ihren Lebensgefährten. „Ich habe noch weniger die Möglichkeit gehabt, einfach zu sagen, ich gehe und beende das.“ Auf die Bedürfnisse der Mutter oder der drei kleinen Kinder geht der Vater im Alltag kaum ein. Alle müssen tun, was er will und braucht. Gleichzeitig „fühlt er sich immer wieder vernachlässigt“, weil die Kinder Aufmerksamkeit brauchen, die er für sich einfordert. Als die Kleinen älter werden, beginnen sie ihren autoritären Vater immer stärker zu hinterfragen. „Die Kinder haben angefangen zu sagen, warum darf immer nur der Papa bestimmen.“ Romana leidet unter dem Kontrollzwang ihres Partners, dennoch bemüht sie sich bis zuletzt, die Beziehung zu retten. „Wir haben eine Paartherapie gemacht, weil wir doch drei gemeinsame Kinder haben. Dort hat er von Anfang an behauptet, das sind alles meine Probleme. Er hat versucht, mich als psychisch krank darzustellen. Als die Therapeutin erkannt hat, dass er seine Anteile nicht sehen will, hat er die Therapie abgebrochen und dann schlussendlich fast ein halbes Jahr mit mir nicht gesprochen.“ Romana spricht endlich die Trennung aus. Doch als sie mit dem Kindesvater besprechen will, wie es weitergeht, straft er sie weiter mit eisigem Schweigen. „Das war für mich schwer zu ertragen.“

Noch weniger auszuhalten ist jedoch die Gewalt, die er gegenüber den Kindern an den Tag legt. „Er war sehr autoritär in der Erziehung, er hat die Kinder manchmal im Zimmer eingesperrt. Besonders der Älteste war dann völlig verzweifelt.“ Romana wendet sich an die Gewaltschutzstelle, um zu erfahren, was für Möglichkeiten sie als finanziell abhängige Mutter von drei Kindern hat, die ihren Mann verlassen will. Sie nimmt sich eine Anwältin, die ihr rät, auszuziehen, während der Kindsvater außer Haus ist, damit es „nicht zu einer unschönen Situation für die Kinder kommt, weil er sehr besitzergreifend war. Ich habe ihm das dann mitgeteilt.“ Romana versucht bis zum Schluss mit ihrem Ex-Partner zu reden, doch er verweigert weiter. „Er ist dann wirklich am Tag, als wir ausgezogen sind, zur Polizei gegangen und hat sich als armes Opfer dargestellt. Er weiß nicht, wo seine Kinder und seine Partnerin sind. Er hat wieder versucht, mich als verrückt darzustellen.“ In Wahrheit hat ihr ehemaliger Partner bereits durch Erpressung der Kinder erfahren, dass sie schon eine Wohnung gefunden haben, in die sie ziehen. „Er hat gewusst, was mein Plan ist.“

Gericht ohne Gerechtigkeit

Romana informiert das Gericht auf Anraten ihrer Anwältin auch darüber, dass der Vater den Kindern und ihr gegenüber gewalttätig war. „Ich war damals noch der Meinung, das Gericht wird schon erkennen, dass ich eine gute Mutter bin und immer für die Kinder da war“. Doch sie sollte schon bald erfahren, dass sie irrt. „Schon bei der ersten Tagsatzung ist es in den Schriftsätzen zu massiven Verdrehungen der Tatsachen gekommen. Da hat mein Ex-Partner plötzlich behauptet, er hätte sich trotz seiner Arbeit durchgehend um die Kinder gekümmert und den Haushalt gemacht.“ Auch die Tatsache, dass er die Kleinen immer wieder eingesperrt hat, streitet er ab. Das hätte sich Romana nur ausgedacht. Im Pflegschaftsverfahren fordert der Vater das Wechselmodell, obwohl der jüngste Sohn noch nicht mal drei Jahre alt ist. Für Romana ist das untragbar. „Die Richterin hat aber gesagt, entweder Sie einigen sich jetzt oder ich ordne ein Gutachten an und das ist belastend für die Kinder und dauert mindestens acht Monate.“ Der Kindsvater erwirkt letztlich nicht das Wechselmodell, dennoch ein „viel zu ausgedehntes Kontaktrecht“, sagt Romana. „Die Kinder haben das von Anfang an boykottiert, weil das natürlich eine erzwungene Entscheidung vom Gericht war.“

Die Aufenthalte bei ihrem Vater sind auch nach der Trennung der Eltern von Gewalt geprägt. „Es hat Verletzungs-Dokumentationen im Krankenhaus gegeben“, so Romana traurig. „Die Polizei hat schlussendlich sogar eine Anzeige gegen meinen Ex-Partner gemacht.“ Es kommt zu einem Strafverfahren, doch „das ist einfach abgeschmettert worden.“ Das Gericht wirft Romana und ihren Kindern Falschaussagen vor, „trotz mehrfacher Dokumentation.“ Die Aussage einer Lehrerin, die einige der Vorfälle bezeugen kann, wird erst gar nicht in den Akt aufgenommen. Das Pflegschaftsverfahren läuft vier Jahre lang. Sechs Richter*Innen waren bisher mit dem Fall betraut, „sodass eine konsistente Bearbeitung des Pflegschaftsakts überhaupt nicht möglich war.“ Die erste Richterin „hat zu viele Fälle“, die zweite wechselt in einen anderen Bereich des Gerichts, die dritte wird nach kurzer Zeit schwanger. Dann gibt es einen interimistischen Richter, seine Nachfolgerin geht bald in ihr Ursprungs-Bundesland. Die jetzige Richterin ist „ebenfalls sehr jung und ohne Gerichtserfahrung.“

Heftige Auswirkungen auf die Kinder

Romana nimmt gleich zu Beginn der Trennung und der Auseinandersetzungen mit ihrem Ex-Partner vor Gericht psychologische Hilfe für ihre Kinder in Anspruch. Dennoch geht die Gewalt alles andere als spurlos an ihnen vorbei. „Vom Kontaktrecht war es so, dass die Kinder, je älter sie geworden sind, zu verweigern begonnen haben, weil man ihre Wahrnehmung und Verletzungen einfach abgestritten hat.“ Die beiden Älteren müssen heute nur mehr drei Stunden jedes zweite Wochenende zu ihrem Vater, anfangs noch begleitet im Besuchscafé. „Mein mittlerer Sohn hat nach den Verletzungen gesagt, er traut sich keine Kontakte ohne Begleitung zu. Im Besuchscafé war das kein Problem. Beim zweiten Termin, wo dort die Übergabe gewesen wäre, hat er sich nicht im Stande gefühlt mit dem Vater mitzugehen.“ Romanas Ex-Partner besteht jedoch darauf, das Kind mitzunehmen. Als es nicht will, lässt es der Kindsvater einfach dort sitzen. Daraufhin will der Bub überhaupt nicht mehr zum Papa.

Besonders „schlimm war die Situation auch für den Jüngsten. Er hat die ausgedehnten Kontakte allein unter Zwang wahrnehmen müssen.“ Die Mutter beschreibt diese Zeit als traumatisierend für ihren Sohn: „Er ist in ein regressives Verhalten gefallen. Er hat mit sechs Jahren noch Windeln gebraucht. Er hat sich körperlich überhaupt nicht weiterentwickeln können, weil er zum Teil unter Schreien und Weinen mitgenommen worden ist. Er hat extreme Trennungsängste bekommen, weil er von mir weggerissen worden ist. Er hat versucht, sich im Kindergarten einzusperren. Und trotzdem sollte das Kontaktrecht zum Vater durchgesetzt werden, zum Teil auch mit Polizei.“ Romana muss mit ihrem Jüngsten auf eine fast achtwöchige Mutter-Kind-Reha, damit er sich gesund weiterentwickeln kann.

Um das Kindeswohl geht es den Institutionen oftmals nicht, zieht Romana heute bittere Bilanz. „Wir haben einen Gutachter bekommen, der medienbekannt dafür ist, dass er in hochstrittigen Verfahren Fremdunterbringungen propagiert und den Kindeswillen abspricht, weil er sagt, die Eltern müssen sich einigen.“ Es hat auch eine Gefährdungsabklärung von der Kinder- und Jugendhilfe gegeben, „die von Anfang an wegen der Verletzungen der Kinder mit im Boot war.“ Der Grund dafür war, dass der Kindsvater wichtige und bereits geplante Operationen von zwei Kindern einfach abgesagt hat. „Dazu gab es nur die schriftliche Empfehlung, die Sache gerichtlich zu klären, trotz Meldung einer gesundheitlichen Gefährdung, die nun zu einer Folgeerkrankung eines der Kinder geführt hat.“ Die Kinder- und Jugendhilfe „hat leider keinen Handlungsspielraum, außer eine neue Beratung zu empfehlen“, bedauert Romana. Tun kann die Institution, trotz gutem Willen nicht viel. „Ich habe daraufhin einen Antrag auf alleinige Obsorge gestellt, aber passiert ist bisher gar nichts.“ Romana rät anderen Müttern, „dass man wirklich versucht, bei seinem Gefühl und seiner Wahrnehmung von den Kindern zu bleiben und sich, so gut es geht, nicht unter Druck setzen lässt.“ Psychologische Begleitung, besonders in Selbsthilfegruppen, war für sie dabei enorm hilfreich.

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