Kindesabnahme: Neugeborenes noch im Spital der Mutter entrissen
Sabine (Name geändert) freut sich auf die Geburt ihres dritten Kindes, doch was folgt, ist ein Horrorszenario. Noch bevor sie ihr neugeborenes Kind in den Armen halten kann, hatte die Kinder- und Jugendhilfe bereits eine Entscheidung getroffen, die den schlimmsten Albtraum für die Familie bedeuten sollte. Denn die Behörde hatte beschlossen, dass Sabine ihr Kind nicht behalten darf und plante eine Kindesabnahme – ohne sie darüber zu informieren.
Doch zurück zum Anfang: Sabine ist zweifache Mutter. Sie hat ein Kind aus ihrer ersten Beziehung. Als diese in Brüche geht, trauert sie auch um ihren Traum, ihrer Tochter ein Geschwisterkind schenken zu können. Doch zum Glück kommt es anders. Sie lernt nochmals einen Mann kennen, den sie für seine ruhige Art sehr schätzt. Als sie erfährt, dass sie nochmals schwanger ist, kann sie ihr Glück kaum fassen. Sie darf noch einmal eine Schwangerschaft erleben, noch einmal ein Neugeborenes in Händen halten. Ihre zweite Tochter erfüllt die junge Familie mit Lebensfreude. Doch das Blatt wendet sich, als Sabine zum dritten Mal schwanger wird. Ihr damaliger Partner war dem Alkohol zugeneigt, doch das verheimlicht er geschickt. Als Sabine doch dahinterkommt, verspricht er, dem Alkohol den Rücken zu kehren, um seine Familie und seine Kinder zu schützen. Trotz bester Vorsätze kann er nicht widerstehen. Als Sabine den Vater ihrer zweiten Tochter und des ungeborenen Kindes, das sie unterm Herzen trägt, abermals mit Alkohol erwischt, ist für sie die rote Linie überschritten. Sie konfrontiert ihren damaligen Partner und kündigt ihm die Trennung an. Das steigt dem bis dahin ruhigen Vater zu Kopf: Er attackiert Sabine, und das in der Schwangerschaft!
Obwohl Sabine erst zögert, weil sie kein Öl ins Feuer gießen will, erwirkt sie ein Annäherungsverbot auf Anraten der Kinder- und Jugendhilfe. Sie merkt bald, es ist eine gute Entscheidung, denn das beschert der kleinen Familie Ruhe, die sie vor allem für ihr Ungeborenes braucht. Was sie nicht weiß: Genau diese Entscheidung wird ihr noch zum Verhängnis. Denn im Hintergrund scheint die Kinder- und Jugendhilfe bereits zu planen, ihr all ihre Kinder abzunehmen. Die Sozialarbeiter*innen mutmaßen, dass Sabine die Gefahr ihres Ex-Partners für die Kinder nicht erkennen kann. Während mit Sabine noch gemeinsam mit der Kinder- und Jugendhilfe einen Plan für die Zeit nach der Geburt erarbeitet wird, weist die Behörde bereits das Spital an, in dem Sabine entbinden will, kein „Bonding“, also keine Mutter-Kind-Bindung etwa durch Stillen oder Halten des Babys zuzulassen. Sabine wird die ganze Zeit über im Dunklen gelassen.
Während die Jungmama alles perfekt plant – ihre beiden älteren Kinder bleiben während Sabines Spitalsaufenthalt bei einer Freundin- hat Sabines Ex-Partner andere Pläne.
Als Sabine in den Wehen liegt, findet er durch eine List heraus, in welchem Spital Sabine entbindet. Trotz Annäherungsverbot versucht er, sich durch Lügen und Gewalt Zugang zu Sabine und ihrem Neugeborenen im Kreissaal zu verschaffen. Die Bedrohung, die Sabine durch ihn empfindet, begleitet die Geburt ihres Kindes. Doch die größere Gewalt kommt von der Institution, die sie beschützen sollte – der Kinder- und Jugendhilfe. Sabine, die selbst Opfer von Partnergewalt durch ihren Ex-Partner geworden war, wird nun auch Opfer institutioneller Gewalt. Als die Ärzt*innen das Neugeborene zur Versorgung mitnehmen, bemerkt Sabine bereits ein ungewöhnliches Verhalten. Auch ihre Mutter, die Sabine bei der Geburt beisteht, überkommt eine fürchterliche Vorahnung. Denn das Kind wird Sabine einfach nicht zurückgegeben. Sie wartet erst im Kreissaal, dann im Zimmer. Stunde um Stunde vergeht, Sabine urgiert, dass sie doch stillen müsse. Immer wieder kommen vom medizinischen Personal neue Vorwände: Das Kind würde gerade schlafen, oder es seien noch Untersuchungen nötig. Schlussendlich kommt die Hiobsbotschaft: Die Kinder- und Jugendhilfe hat beschlossen, Sabine ihr Neugeborenes noch im Spital abzunehmen.
Doch die Welt sollte für Sabine bald ganz zusammenbrechen: Nicht nur ihr Neugeborenes, sondern auch ihre beiden anderen Kinder werden von der Kinder- und Jugendhilfe zeitgleich in Obhut genommen. Sabines Freundin wird ins Amt zitiert, wo auch schon Polizeibeamte auf die beiden anderen Kinder warten. In weiterer Folge wird die Pflichtschülerin in eine Jugend WG verbracht, während das Kleinkind in eine Pflegefamilie kommt. Die beiden Schwestern werden also getrennt. Die Schülerin leidet sehr unter ihrer traumatischen und plötzlichen Kindesabnahme: Sie will ihre kleine Schwester beschützen, doch das darf sie nicht, weil sie an unterschiedlichen Orten untergebracht werden. Bis heute kämpft das Kind mit den schweren Folgen der traumatisierenden Inobhutnahme.
Andrea Czak, Obfrau von FEM.A: „Dieser Fall macht deutlich, wie die Kinder- und Jugendhilfe, in diesem Fall die MA11, ihre Kompetenzen überschreitet. Eine Kindesabnahme darf nur dann eigenmächtig durchgeführt werden, wenn Gefahr im Verzug ist, also Gefahr für Leib und Leben der Kinder besteht. Alle Kinder von Sabine waren jedoch gut versorgt, sie selbst lag auch noch im Spital und war dort unter Aufsicht des medizinischen Personals. Sollte die MA11 der Ansicht gewesen sein, die Kinder wären tatsächlich bei Sabine nicht gut aufgehoben gewesen, so wäre es der MA11 offen gestanden, bei Gericht einen Antrag auf Übertragung der Obsorge zu stellen. Die Aktion war jedoch schon geplant, denn das Spital wurde vorab informiert, Gefahr im Verzug kann also nicht geltend gemacht werden. Wir wundern uns, dass das medizinische Personal dabei mitmachte, zumal die Ärzt*innen gut beurteilen können, ob eine Lebensgefahr für das Neugeborene besteht. Eine Kindesabnahme, wenn sie nicht zuvor vom Gericht beschlossen wurde, ist kein hoheitlicher Akt. Für keines der drei Kinder bestand eine akute Gefahr. Wir beobachten immer wieder, dass der §211 ABGB missbraucht wird, um Kinder ohne akute Gefährdung ihren Eltern wegzunehmen. Ein besonders hohes Risko haben nach den Erfahrungen aus unserer Beratungstätigkeit Alleinerzieher*innen, Opfer von Partnergewalt, Frauen mit Behinderung, Migrant*innen und Armutsbetroffene. Statistiken legt die MA11 dazu leider nicht vor.“
Tatsächlich ist Wien Spitzenreiter bei den Kindesabnahmen, Tendenz steigend: Die MA11 hat allein im letzten Jahr 657 Kinder aus ihren Familien genommen. Auch Volksanwalt Bernhard Achitz kritisierte die hohe Zahl der Kindesabnahmen in Österreich und die geringe Anzahl an Rückführungen in die Herkunftsfamilien. Die Volksanwaltschaft hat darüber hinaus auch immer wieder die schlimmen Zustände in den WGs und Heimen kritisiert, in denen die Kinder dann untergebracht werden. Zu wenig Personal und sogar sexuelle Übergriffe wurden festgestellt.
Sabine muss unterdessen allein aus dem Spital und in eine leere Wohnung zurück. Sie ist schockiert und gebrochen. „Jeden Tag wache ich auf und spüre diese Leere, diese Kälte“, sagt sie mit tränenerstickter Stimme. „Ich vermisse meine Kinder so sehr, es ist, als wäre ein Stück meiner Seele herausgerissen. Besonders um meine mittlere Tochter mache ich mir große Sorgen, sie ist so sensibel, und ich habe Angst, welche Folgen die traumatische Abnahme für meine Kinder hat.“
Schockierend: Während Straftäter in Österreich Rechte und eine Möglichkeit haben, innerhalb der ersten 48 Stunden vor einer Richterin, einem Richter oder einer Staatsanwältin oder einem Staatsanwalt vorzusprechen, so muss Sabine wochenlang auf einen Gerichtstermin warten. Wochenlang bekommt sie ihre Kinder gar nicht zu Gesicht, kann ihr Neugeborenes nie wirklich kennenlernen. Die Monate vergehen ohne eine Entscheidung darüber, ob die Kindesabnahme überhaupt gerechtfertigt ist. Schlussendlich erfährt sie, dass ihr vorgeworfen wird, sie würde die Gefahr, die durch die Gewalt des Kindesvaters ausgeht, nicht ausreichend wahrnehmen. Deshalb wäre das Wohl ihrer Kinder bei ihr gefährdet, obwohl Sabine ihre Kinder immer geschützt hat. Sabine erfährt, dass ihre beiden jüngeren Kinder nun bei Pflegeeltern leben, die über beträchtlichen Einfluss und Einkommen verfügen. Diese Pflegeeltern haben inzwischen sogar einen Anwalt beauftragt, um eine Rückführung der Kinder zu Sabine zu verhindern.
„Manchmal kann ich kaum atmen vor lauter Schmerz“, erzählt Sabine leise. „Ich habe immer nur das Beste für meine Kinder gewollt, aber jetzt muss ich zusehen, wie sie mir immer weiter entfremdet werden. Mein Herz fühlt sich an, als würde es zerbrechen, jeden Tag aufs Neue.“ Sabine kämpft weiter wie eine Löwenmama, holt sich Hilfe, wo sie sie auch nur bekommen kann. Doch wirklich helfen kann niemand: Die Entscheidung liegt nun beim Gericht. Dabei sitzt Sabine auf Nadeln: denn oft bringt die Kinder- und Jugendhilfe vor, dass selbst bei einer ungerechtfertigten Kindesabnahme die Kinder nicht in ihre Familie zurückgeführt werden können, da sie sich nun schon an die Pflegefamilie gewöhnt hätten. Es ist ein Lauf gegen die Zeit.
Sabines Geschichte ist nur eine von vielen. Mütter, die ihre Kinder verlieren, kämpfen und leiden, oft ohne jede Hoffnung, ihre Familien wieder zusammenzuführen. Sie müssen darauf vertrauen, dass die Gerechtigkeit eines Tages auf ihrer Seite ist – doch bis dahin bleibt ihnen nur die Leere und der Schmerz des Verlusts.