„Die Behörden haben alles schlimmer gemacht“
„Ich wurde als anstrengend, lästig und psychisch instabil beschrieben“
FEMA: Wie haben Sie den Vater Ihrer Kinder kennengelernt und wie hat sich die Beziehung dann entwickelt?
Selma: Ich kenne ihn, seit ich 20 bin. Es ist recht schnell mit uns gegangen, ich war nach wenigen Wochen schwanger.Schon nach zwei Wochen hätte ich eigentlich einfach gehen sollen. Da habe ich mitgekriegt, dass er nicht nur gerne mal ein Bier trinkt und einen Ofen raucht, sondern auch der Chemie nicht abgeneigt ist. Das war für mich immer ein No-Go. Es war aber meine erste feste Partnerschaft und ich wollte das nicht aufgeben. Es war alles so besonders und schön. Ich habe gedacht, dass ich nie wieder jemanden wie ihn finden werde. Es war rauschartig mit ihm.
FEMA: Wann kam der Bruch, wann haben Sie gewusst, dass eine Trennung notwendig ist?
Selma: Als ich angefangen habe, Sachen zu schmeißen. Dass wir nicht mehr zusammenfinden, war erst zwei Jahre später klar, nachdem ich stressbedingt schwer erkrankt war. Er hatte auch psychische Probleme. Ich dachte, ich muss das aussitzen, es ist nur eine schwierige Phase. Ich habe es als Versagen empfunden, dass ich es nicht geschafft habe, meine Familie zusammenzuhalten.
FEMA: Haben Sie auch Gewalt in der Beziehung erlebt?
Selma: Ja, psychische Gewalt und Gaslighting. Er war emotional unnahbar, hat aber immer gesagt, dass ich das Problem bin. Wirklich arg wurde es aber, als wir getrennt waren und er eine neue Partnerin hatte. Er wollte plötzlich mehr Zeit mit den Kindern verbringen. Wir haben sie vorher 50-50 gehabt, nachdem er das beim Jugendamt erzwungen hat. Er ist richtig grauslich geworden und den Kindern ist es zunehmend schlechter gegangen. Er wollte, dass die Kinder drei Wochen am Stück bei mir sind und eine ganze Woche bei ihm. Für unseren Kleinen waren drei Wochen ohne Papa und eine Woche ohne Mama zu viel. Ich habe ein Kontaktrechtsverfahren eingeleitet, nachdem ich versucht habe, über das Gewaltschutzzentrum eine Mediation zu machen und ein Gespräch beim Jugendamt zu führen. Er hat nicht kooperiert. Er hat genau gewusst, dass es mir gerade nicht gut geht, es deswegen nicht aufgeräumt war und, dass unser Kachelofen daheim illegal ist. Die Gemeinde hat dann das Jugendamt informiert. Ich durfte nicht mehr mit dem Ofen heizen und die Kinder mussten zum Papa, bis ich eine neue Wohnung gefunden habe.
FEMA: Haben Sie sich von den Behörden unterstützt gefühlt?
Selma: Ich bin zuerst zum Gewaltschutzzentrum und zur Frauenberatung gegangen. Ich wusste, dass ich echt aufpassen muss. Sie haben mich als psychisch krank hingestellt. Es ist dem Jugendamt auch auf die Nerven gegangen, dass ich ihnen immer Bericht erstattet habe, damit sie auf Laufenden sind.
Ich wollte meinem Ex die Kinder dann gar nicht mehr geben, weil es meinem Älteren jedes Mal schlecht gegangen ist, wenn er dort war. Erst wenn er länger bei mir war, hat er sich wieder gefangen. Die Kinder sind Ende März von meinem Ex weggelaufen und zu mir gekommen. Die Behörden haben alles schlimmer gemacht. Eine Sachbearbeiterin hatte mich fünf Minuten nach dem Kennenlernen bereits als inkompetente Mutter betitelt und mich im späteren Verlauf auch vor den Kindern herunterzumachen versucht. Man hat gemeint, ich kann den Kindern keine Stabilität bieten, der Papa sei deswegen besser geeignet. Ich wurde als lästig, anstrengend und psychisch instabil beschrieben.
FEMA: Was war die schockierendste Aussage, die Sie von Institutionen während der Verfahren zu hören bekommen haben?
Selma: Die Kinder sollten zum Papa, weil er sich angepasster gab.
FEMA: Welche Hilfsangebote müsste es für Mütter und Kinder geben, damit es nicht zu institutioneller Gewalt kommt?
Selma: Das Gewaltschutzzentrum sollte auch solche Fälle von institutioneller Gewalt bearbeiten, bzw. bräuchte es eine eigene Anlaufstelle, weil es wichtig ist, dass das Gewaltschutzzentrum die Beziehungen zu den Behörden nicht belastet. Die Jugendamt-Mitarbeiterin hat mir sehr lange keine Termine gegeben. Das Schlimmste war, dass die Kinder zurück zum Vater sollten. Da bin ich aufs Dach gestiegen und habe das nicht akzeptiert. Deswegen sind die Kinder jetzt bei mir.
FEMA: Was würden Sie sich für Veränderungen im System wünschen?
Selma: Ich glaube, dass Sozialarbeiter extrem überlastet sind. Es braucht eine Entlastung, damit sie wieder atmen und sich spüren können. Dann können sie auch nachdenken und nicht immer nur das Schlechteste sehen. Ich bin kulturell vielfach beeinflusst und finde es nicht schlimm, wenn meine Kinder neben mir schlafen, auch wenn sie schon zehn Jahre alt sind. Mir wurde aber vorgeworfen, das sei eine krankhaft enge Bindung, ich könne ohne die Kinder nicht schlafen und ich bräuchte sie als emotionale Stütze und Partnerersatz.
FEMA: Was raten sie anderen Müttern in einer ähnlichen Situation?
Selma: Selbstfürsorge ist das Allerwichtigste und, dass man auf die eigene psychische Stabilität schaut, sich immer wieder Pausen gönnt und auch mal in den Krankenstand geht. Man muss aktiv drauf schauen, dass man Puffer für den nächsten Schlag aufbaut.