Yvonne

„Wenn der Ex finanziell mehr Möglichkeiten hat, ist man ausgeliefert“

„Väter wollen mehr Betreuung, um sich den Unterhalt zu ersparen“

„Gericht und Institutionen üben psychische Gewalt auf Mütter aus“

FEMA: Ich freue mich, dass du dich bereit erklärt hast, deine Geschichte mit uns zu teilen. Wie hast du den Vater deines Kindes kennengelernt, wie hat alles begonnen?

Yvonne: Ich habe mich in einen Mann verliebt, in seine Augen, seine Ausstrahlung, alles hat mich an ihm angezogen. Ich habe aber bald bemerkt, dass er Probleme mit der Wahrheit hat, dass er lügt. Ich habe mich nach weniger als einem Jahr getrennt und dann festgestellt, dass ich schwanger bin. Ich wollte damals nicht, dass mein Kind ohne Vater aufwächst und habe ihm deshalb noch eine Chance gegeben. Ich dachte, vielleicht ändert er sich, wenn er das Kind erst sieht, doch es wurde richtig schlimm. Wir haben nur noch gestritten. Schon drei oder vier Monate nach der Geburt unseres Kindes habe ich ihm gesagt, er soll meine Wohnung verlassen.

FEMA: Und hat er das gemacht?

Yvonne: Nein, er hat meine Aufforderungen einfach ignoriert. Dann haben die Drohungen begonnen: Er würde erst ausziehen, wenn ich zustimme, dass unser Kind die Hälfte der Zeit bei ihm wohnt. Aber es war ja noch ein Säugling! Wie sollte Hälfte-Hälfte denn gehen? Er hat sich nie Pflegeurlaub genommen, war nie allein mit dem Baby oder ist in der Nacht aufgestanden. Ich habe alles erledigt, auch für ihn, weil er immer wieder Unterstützung gebraucht hat und wurde nur beschimpft. Erst zwei Jahre später habe ich es geschafft, ihn aus meiner Wohnung rauszubekommen. Er hat meine E-Mails und Nachrichten gecheckt, mich ausspioniert und mir aufgelauert. Ich hatte eine Räumungsklage vorbereitet, da hat er eine Überraschungsparty zu meinem Geburtstag geschmissen. Da dachte ich, es ist nicht fair, dass ich ihn gerade rausschmeißen lasse. Er war doch nett, vielleicht habe ich ja doch Probleme, so wie er es sagt. Das war klassisch narzisstisch.

FEMA: Hat er Unterhalt für das Kind bezahlt?

Yvonne: Als er in meiner Wohnung gelebt hat, fand er es nicht wichtig, mitzuzahlen. Er sagte, Babys brauchen nicht viel und ich hätte eh alles von Freunden bekommen (ich war in Karenz, daher mussten „wir“ für die Betreuung nicht zahlen). Ich habe dann ein Verfahren eingeleitet, damit er Unterhalt zahlen muss. Er war der Meinung, er muss nur dann zahlen, wenn das Kind bei ihm lebt. Dann hat er begonnen, mich ganz aggressiv wegen des Kontaktrechts und der Obsorge anzugreifen. Er hat mir gedroht: Du wirst es noch bereuen! Du wirst sehen, dass mein Kind noch bei mir leben wird und du Unterhalt zahlen musst! Vor Gericht war er immer der liebe, brave Papa, der nur sein Kind sehen möchte, das er so liebt. Unterhalts- und Kontaktrecht-Verfahren laufen ja immer parallel. Es sind unterschiedliche Richter und Verfahren und keiner gibt sich die Mühe, hinter den Kulissen zu schauen. Wir haben inzwischen schon über 300 Schriftsätze bei Gericht.

FEMA: Wie hat ihr Ex die gemeinsame Obsorge bekommen?

Yvonne: Er hat behauptet, wir hätten uns in gleichen Teilen ums Kind gekümmert. Er hatte aber einen Vollzeitjob und war auf Geschäftsreisen, während ich zwei Jahre zu Hause war und alles selbst finanziert habe. Mein Ex ging taktisch vor: Zwei Tage vor einer Verhandlung kam ein Schriftsatz voller Lügen, der mich dann destabilisiert hat. Zum Schluss hat die Richterin nur gesagt: selbstverständlich gibt es die gemeinsame Obsorge, das sollte die Regel sein. Ich hätte mir zwei Jahre Gericht und Anwaltskosten ersparen können. Psychische Gewalt ist per Gesetz verboten. Die Richter erkennen sie aber nicht. Gericht und die Institutionen üben dann noch mehr psychische und finanzielle Gewalt auf Mütter aus. Das Gesetz sollte uns davor schützen, aber das tut es nicht.

FEMA: Wann hast du zum ersten Mal gemerkt, dass es nach der psychischen Gewalt bei den Institutionen weiterging?

Yvonne: Es kam ein Beschluss, in dem die Richterin sagte, es wird die gemeinsame Obsorge geben, weil dann würde sich der Konflikt zwischen uns Eltern auflösen. Ich hatte leider keine andere Wahl. Danach hat sich unser Konflikt verdreifacht. Mein Ex ist mit massiven Lügen vorangeschritten und wurde dafür belohnt – mit der gemeinsamen Obsorge und viel Kontaktrecht. Dem Gericht waren meine Schilderungen über den Konflikt und die Probleme egal. Richter sehen sehr oft Fälle, in denen die Väter nach der Trennung verschwinden und sobald ein Vater Interesse am Kontakt zeigt, werden ihm alle Wünsche erfüllt, ohne zu prüfen, inwieweit eine plötzliche Kontakterweiterung dem Kind wirklich gut tut. Väter bekommen keine Beugestrafe, wenn sie die Kinder nicht nehmen oder in letzter Sekunde absagen. Es bleibt alles an den Müttern hängen. Richter nehmen sich oft nicht viel Zeit für einen Fall. Ich bin mir sicher, sie haben sehr viele Fälle, aber sie sind selbst schuld, weil sie so oft die gemeinsame Obsorge vergeben wollen.

FEMA: Wie ist die Situation mit der geteilten Obsorge für euer Kind?

Yvonne: Unser Kind ist sehr müde. Es ist hochsensibel. Es ist ständig hin- und hergerissen und unterwegs. Es hat schon in sehr jungem Alter zu viele Tage beim Vater bekommen. Natürlich liebt es seinen Vater, aber es wurde auch manipuliert. Es sagt, dass es zum Papa muss, weil der so traurig ist, wenn es von ihm weggeht und ich als Mama sei es nicht. Dabei halte ich mich zurück, um meinem Kind nicht alle Emotionen zu zeigen, die mich belasten. Mein Ex behauptet deshalb, ich sei erziehungsunfähig, das ist eine Beleidigung für unser Kind. Er verwöhnt unser Kind mit Geschenken, damit es gerne bei ihm ist, erfüllt ihm alle Wünsche und sagt nur sehr selten Nein, um vor Gericht als netter Vater zu wirken.

FEMA: Empfindest du die geteilte Obsorge als ungerecht, weil nicht geschaut wurde, was vorher passiert ist?

Yvonne: Die gemeinsame Obsorge ist die Hölle! In der Schule müssen ständig rasch Entscheidungen getroffen und nichts funktioniert reibungslos. Die Schule, erwartet EINE Antwort. Bei hochstrittigen Eltern kommen immer zwei unterschiedliche Antworten, die Schule weiß nicht, wer wofür zuständig ist und wird automatisch in den Konflikt hineingezogen. Anstatt, dass sich die Lehrer mit den Kindern beschäftigen, müssen sie stets den Konflikt zwischen den Eltern glätten. Ja, es ist die Vorgabe von oben, dass die gemeinsame Obsorge der Regelfall sein soll. Egal, welche Gegenargumente für den konkreten Fall eingebracht werden. Ich habe sehr viel Geld für Anwälte ausgegeben und konnte es mir irgendwann nicht mehr leisten. Ich habe mich dann selbst vertreten. Da habe ich institutionelle Gewalt an der eigenen Haut erlebt. Ich musste darum betteln, Schriftsätze vom Gericht zu bekommen. Ich wurde nicht angehört, meine Anträge wurden ein Jahr lang ignoriert. Man ist der Willkür eines Menschen ausgesetzt.

FEMA: Du wurdest nicht ernst genommen?

Yvonne: Gar nicht. Wenn der Ex finanziell mehr Möglichkeiten hat, ist man ausgeliefert. Wenn ich einen Antrag auf Verfahrenshilfe stelle, bekomme ich irgendeinen Anwalt, wahrscheinlich einen Neuling, der noch nie Familienrecht hatte, der vom Staat ein Mindesthonorar bekommt, da kann man sich vorstellen, wie motiviert der ist. Das ist nicht fair, wenn die Gegenseite eine erfahrene Anwältin hat.

FEMA: Was sind die Auswirkungen der institutionellen Gewalt auf dich und auf dein Kind?

Yvonne: Ich bin ein optimistischer Mensch, sonst hätte ich längst aufgegeben. Ich war zwei oder drei Jahre lang im Ausnahmemodus. Wenn ich Freunde getroffen habe, hatte ich keine Gesprächsthemen mehr, außer das Verfahren reden. Mein Ex-Partner wartet nur darauf, dass ich einen Fehler mache. Ich weiß nicht, ob jemals Ruhe einkehrt. Unsere Beziehung vor Gericht ist schon viel länger, als unsere tatsächliche Beziehung war.

FEMA: Was könnte das Familiengericht machen, um die Situation zu verbessern?

Yvonne: Dem Vater aufzeigen, dass er übertrieben und psychische und finanzielle Gewalt auf die Mutter ausgeübt hat. Dass sein Verhalten nicht okay ist und man ihm deswegen die Obsorge entzieht. Wenn man feststellt, dass ein Elternteil falsche Aussagen macht, oder nicht verlässlich ist, müsste man die Obsorge automatisch entziehen. Aber dafür müssten sich die Gerichte viel mehr mit den einzelnen Fällen auseinandersetzten. Darüber hinaus, wenn ein Elternteil nach der Trennung stets behauptet, dass das andere Elternteil ‚erziehungsunfähig und bindungsintolerant‘ ist, so darf man den betroffenen Elternteil nicht mehr zwingen stets mit dem anderen Elternteil zusammenzuarbeiten.

FEMA: Was würdest du dir wünschen nach all dem, was du erlebt hast? Welche Veränderungen würde es brauchen, damit institutionelle Gewalt nicht mehr vorkommt?

Yvonne: Anwaltliche Unterstützung. Sobald der eine einen Anwalt hat, muss dem anderen Elternteil auch ein guter Familienanwalt zur Seite gestellt werden, damit das Verfahren fair abläuft. Man muss sich mehr mit einem Fall und dem Kind befassen. Es muss den Richtern klar sein, wenn man schon bei Gericht ist – besonders wenn es so lange dauert – dann gibt es keinen gemeinsamen Nenner mehr für die Eltern. Viele Väter wollen mehr Betreuung für das Kind übernehmen, um sich den Unterhalt zu ersparen. Ich finde, das muss man trennen.

FEMA: Was würdest du anderen Müttern, die in einer ähnlichen Situation sind, mitgeben?

Yvonne: Ich habe zwei Fehler gemacht: Ich hatte keinen Plan und habe mich auf Anwälte verlassen. Man sollte sich beraten lassen, was es für Wege gibt, wie all diese Instanzen funktionieren und was herauskommen kann. Ich hätte dem Vater vielleicht nie sagen sollen, dass ich schwanger bin, so wie ich von ihm und vom System behandelt wurde.

Österreich hat ein massives Problem mit der Geburtenrate. Das Familiensystem, so wie es jetzt aufgestellt ist, ist leider überhaupt keine Unterstützung für Mütter und deren Kinder. Es ist hier gar nicht ermutigend, Kinder zu bekommen.

Wenn Du von institutioneller Gewalt betroffen bist und helfen willst, dass die Öffentlichkeit davon erfährt, kannst Du den Vorfall anonym über ein Formular auf unserer Webseite melden. FEM.A fungiert als Meldestelle für institutionelle Gewalt. Wir sammeln die Daten, anonymisieren sie und werten sie aus, um das wahre Ausmaß institutioneller Gewalt in Österreich sichtbar zu machen. Hilf mit, gemeinsam Bewusstsein zu schaffen!